Der Tag unserer Geburt ist der gefährlichste Tag unseres Lebens. Besonders für Frühgeborene kann der Übergang von der geschützten Umgebung im Mutterleib zur eigenständigen Atmung eine große Herausforderung sein. Die Lunge muss sich in kürzester Zeit von einem flüssigkeitsgefüllten Organ in ein luftgefülltes System umwandeln – ein komplexer Vorgang, der oft nicht reibungslos funktioniert und für den Frühgeborene ärztliche Unterstützung in Form eines positiven Atemwegdrucks benötigen. Komplikationen in dieser Phase können langfristige gesundheitliche Folgen haben.
Das Forschungsprojekt „Von EAGLE bis LEOPARD“ von Vincent Gaertner, Assistenzarzt am Dr. von Haunerschen Kinderspital (LMU), setzt genau hier an: Der Gruppenleiter am DZL-Standort München (CPC-M) will besser verstehen, wie dieser Übergang funktioniert und wie Frühgeborene im Kreißsaal optimal unterstützt werden können. Ziel ist es, die medizinische Versorgung in dieser kritischen Lebensphase zu verbessern und so die Überlebenschancen sowie die spätere Lebensqualität der Neugeborenen zu erhöhen.
Die deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert dieses Projekt als Emmy Noether Nachwuchsgruppe über einen Zeitraum von sechs Jahren.
Die ersten Atemzüge nach der Geburt verstehen
Das Projekt verfolgt zwei Hauptziele: Zum einen soll die natürliche Anpassung der Lunge nach der Geburt besser erforscht werden, zum anderen wird eine neue klinische Strategie zur Atemunterstützung von sehr frühgeborenen Kindern getestet.
Um die physiologischen Mechanismen hinter den ersten Atemzügen des Lebens besser zu verstehen, setzt das Team eine innovative Messmethode ein: die elektrische Impedanztomographie (EIT). Dabei handelt es sich um einen speziellen Brustgurt mit 32 Elektroden, der die Luftverteilung in der Lunge in Echtzeit sichtbar macht und detaillierte Analysen der Lungenphysiologie ermöglicht. Diese Messungen werden direkt nach der Geburt sowohl bei reif geborenen als auch bei sehr frühgeborenen Kindern durchgeführt. Dadurch sollen die folgenden zentralen Fragen beantwortet werden:
- Wie unterscheiden sich die ersten Atemzüge von Früh- und Reifgeborenen?
- Welche Rolle spielt die Geburtsmethode (Kaiserschnitt vs. natürliche Geburt) und der Zeitpunkt der Abnabelung bei der Anpassung nach der Geburt?
- Wie wirken sich medizinische Maßnahmen wie eine Beatmung oder ein unterschiedliches Beatmungsniveau auf verschiedene Lungenvolumina aus?
Neue Strategien für die Atemunterstützung
Die gewonnenen Erkenntnisse werden in einer groß angelegten randomisierten klinischen Studie überprüft. Dabei werden zwei unterschiedliche Druckniveaus bei der initialen Atemunterstützung von sehr frühgeborenen Kindern (vor der 32. Schwangerschaftswoche) in den ersten 10 Minuten nach der Geburt verglichen. Zu diesem Zeitpunkt könnten die vulnerablen Lungen der Frühgeborenen von einem höheren Beatmungsdruck profitieren, um die Lungenflüssigkeit effektiv aus der Lunge zu bekommen. Das Ziel ist es, herauszufinden, welche Methode die besten Ergebnisse erzielt. Das Besondere: Die Bewertung des Behandlungserfolgs erfolgt hierbei anhand eines gemeinsam mit Elternvertretern neu entwickelten klinischen Endpunkts. Für diesen Endpunkt wird gemeinsam eine Rangfolge von verschiedenen klinischen Endpunkten entsprechend der von Eltern wahrgenommenen Wichtigkeit erstellt.
Das Projekt vereint somit physiologische Grundlagenforschung mit klinischer Anwendung, um den Start ins Leben für die kleinsten Patienten sicherer zu machen.
Das Emmy Noether-Programm der DFG eröffnet herausragend qualifizierten Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern die Möglichkeit, sich durch die eigenverantwortliche Leitung einer Nachwuchsgruppe über einen Zeitraum von sechs Jahren für eine Hochschulprofessur zu qualifizieren. Mehr Informationen gibt es hier.