Welchen Einfluss auf unsere Gesundheit haben Mikroorganismen? Dieser Frage ging das gemeinsame Online-Seminar von Lungeninformationsdienst in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Lungenforschung und dem Allergieinformationsdienst von Helmholtz Munich nach, das im Rahmen des 63. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie stattfand.
Drei Forschende von Helmholtz Munich nahmen die rund 225 Teilnehmenden mit in die Welt der Mikroorganismen und erklärten, welchen entscheidenden Einfluss sie auf die Lungengesundheit und Allergien haben.
In jeweils 20-minütigen Präsentationen erläuterten Prof. Michael Schloter, Prof. Claudia Traidl-Hoffmann und Prof. Erika von Mutius (Direktorin DZL-Standort München) – alle drei ausgewiesene Expert:innen auf ihrem Gebiet – was man über das Mikrobiom wissen muss und welche Erkenntnisse die Forschung diesbezüglich zu einzelnen Krankheitsbildern hat. Im Anschluss daran nutzten zahlreiche Teilnehmenden die Gelegenheit, ihre Fragen an die Referierenden zu stellen.
„Das Mikrobiom ist das zweite Genom des Menschen!“ Mit diesem Satz eröffnete Prof. Michael Schloter den außergewöhnlich gut besuchten Online-Vortrag. Der Leiter des Instituts für vergleichende Mikrobiom-Analysen und Principal Investigator des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL) berichtete über erstaunliche Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung: Jeder Mensch hat in der Summe mehr Kleinst-Organismen in oder an Organen wie Darm, Lunge, Haut oder Mund und Nase als er Körperzellen hat. Und jeder Mensch hat seinen eigenen Cocktail, einen spezifischen Mix aus Mikroorganismen, der bei der Abwehr von Erregern hilft. Stimmt der Mix nicht, können wir krank werden. Diabetes, Adipositas, Lungenkrankheiten, Allergien – all diese Erkrankungen werden von Forschenden mit einem gestörten Mikrobiom in Verbindung gebracht.
Mikrobielle Vielfalt - Karriere von Allergien gleich zu Beginn stoppen
Am Beispiel Allergien erklärte Prof. Claudia Traidl-Hoffmann, Direktorin des Instituts für Umweltmedizin (Helmholtz München), wie wichtig die Vielfalt unseres Mikrobioms ist, beginnend mit der Haut. Ist sie entzündet, stimmt die Zusammensetzung von Mikroorganismen nicht: „Dann fehlt dieser Strauß an Blumen, die bunte Wiese, die Diversität im Mikrobiom der Haut.“ Was zum sogenannten ‚Atopischen Marsch‘ führen kann, erklärte Traidl-Hoffmann: „Ausgehend z.B. von einer Neurodermitis der Haut kann sich ein Etagenwechsel hin zu weiteren Allergien und bis hin zu schwerem Asthma entwickeln“.
Die gute Nachricht: Die Forschenden am Helmholtz Zentrum München haben auch herausgefunden, dass sich die mikrobielle Vielfalt erholen, wiederherstellen kann. Eine Dysbiose, eine Störung im Mikrobiom bereits zu Beginn zu stoppen, heißt also auch, die „Karriere“ weiterer Allergien oder Entzündungen zu stoppen.
Wie das Mikrobiom reift – Babys brauchen die Vielfalt im Darm
Die Direktorin des Instituts für Allergie- und Asthmaprävention und Leiterin des DZL-Standortes München (CPC-M), Prof. Erika von Mutius gab zum Abschluss des Seminars einen Einblick in die von ihr entdeckte „Bauernhof-Hypothese“. Demnach sind Kinder vor Asthma geschützt, die umgeben von Tieren, Stroh, Heu aufwachsen – einer riesigen Vielfalt an Bakterien, Pilzen also. Aber auch ohne das Aufwachsen auf dem Bauernhof hatte sie praktische Tipps:
Erika von Mutius appellierte vor allem an Eltern, ihren Kindern die Entwicklung eines vielfältigen Mikrobioms vor allem im Darm zu ermöglichen. Und diese Reifung beginnt schon im Alter von zwei Jahren! Rauchen in der Schwangerschaft oder zu langes Stillen ohne Beikost behindere diese Reifung. Auch sie hatte eine plastische Beschreibung parat: „Stellen Sie sich das Mikrobiom vor wie eine Gemüsesuppe, eine Minestrone. Die schmeckt ja auch nicht nur nach Paprika, weil eben nicht nur Paprika drin ist, sondern viele andere Zutaten.“
Die drei Experten des Helmholtz Zentrums München beantworteten anschließend noch viele Fragen der Teilnehmenden. Ihre wichtigsten Antworten zusammengefasst:
- Gesunde, vielfältige Ernährung ist die Basis für ein gesundes, vielfältiges Mikrobiom.
- Mütter sollten ihre Kinder nicht zu lange stillen, ab 6 Monate sollte vielfältige Beikost gegeben werden, damit das Mikrobiom im Darm reifen kann.
- Haustiere, Geschwister, Infektionen von Kindern, das „alles in den Mund nehmen“ von Säuglingen – das alles trägt zur Entwicklung eines vielfältigen Mikrobioms bei.
- Dass das Mikrobiom „künstlich“ aufgepeppt werden kann, durch etwa Nahrungsergänzungsmittel, Tabletten oder Probiotika – dafür sehen die Forschenden kaum oder keinen wissenschaftlichen Nachweis.
Insgesamt zeigte sich: Das Mikrobiom ist ein neues, spannendes Forschungsgebiet, bei dem aber noch viele Fragen offen sind. Mit seiner exzellenten Expertise auf diesem Bereich werden die Wissenschaftler am Helmholtz Zentrum München viel dazu beitragen, dieses neue Gebiet zu erschließen. Damit sie noch mehr fundierte Hinweise geben können, wie wir möglichst gesund durch’s Leben kommen.