Forschung am CPC-M - Mikrobiom - Ökysystem in der Lunge

Forschung am CPC-M

Mikrobiom - Ökysystem in der Lunge

Soziales Netzwerk aus Mikroben

Die Lunge aus der Sicht eines mikrobiellen Ökologen

Sauerstoff rein, CO2 raus. Der Gasaustausch in der Lunge klang noch bis vor einigen Jahren auch medizinisch-wissenschaftlich nach einer ganz sauberen Sache. Die gesunde Lunge galt als keimfreies, steriles Organ. Nur in kranken Lungen fänden sich Bakterien und andere Mikroorganismen. Heute weiß die Wissenschaft: Genau wie im Darm leben in jeder menschlichen Lunge Bakterien, Viren, Hefen oder Pilze - sehr viel weniger als im Darm, aber es gibt sie. Die Gesamtheit dieser Gemeinschaft von Mikroben bezeichnen Forschende als Mikrobiom. Und dieses Mikrobiom der Lunge erweist sich immer mehr als ein wichtiger Baustein, Gesundheit und Funktionalität der Lunge zu erhalten. 

DZL-PI Prof. Michael Schloter ist Mikrobiologe und Leiter der Abteilung für vergleichende Mikrobiomanalysen am Helmholtz-Zentrum München. Er hat sich diesem noch neuen und deswegen umso faszinierendem Bereich der Lungenforschung verschrieben.

Bronchialepithel mit Flimmerzellen
Elektronenmikroskop-Aufnahme des Bronchialepithels mit Flimmerzellen (© Wikimedia, Louisa Howard, public domain)

„Spricht“ das Lungenmikrobiom, hört das Immunsystem zu

Schloter weiß: Die Lunge ist ein Ökosystem mit extremen Bedingungen. Mikroorganismen finden dort wenig Nährstoffe zum Wachstum und müssen ständig mit dem Immunsystem darum kämpfen, toleriert zu werden. Deswegen schaffen es nur sehr wenige Mikroorganismen, sich dort anzusiedeln. Das hat die Forscher zunächst vor große Probleme gestellt, sowohl was Probengewinnung als auch Analyse betrifft. Dadurch wurde lange übersehen, dass die Lunge überhaupt ein eigenes Mikrobiom hat.
 
Die Mikroorganismen, die die Lunge besiedeln, sind aber durchaus wichtig für das Funktionieren der Lunge. Sie verhindern die Invasion von Krankheitserregern, stimulieren das Immunsystem und bekämpfen Schadstoffe aus der Luft, um eine Schädigung des Lungenepithels zu verhindern. 

Henne oder Ei  - Dysbiosen des Mikrobioms als Auslöser von Krankheiten 

Ein gesundes Mikrobiom, ein stabiles Netz aus Mikroorganismen, ist also für eine gesunde Lunge typisch und wichtig. Entsprechend können Umwelteinflüsse oder der Lebenswandel Krankheiten befördern und die Lungenfunktionalität einschränken. Dabei ist in den meisten Fällen unklar, was sich zuerst ändert: Das Lungenepithel als direkte Reaktion auf Umweltbedingungen oder Lebenswandel und als nachfolgende Konsequenz auch das Mikrobiom? Oder reagiert zunächst das Mikrobiom mit einem Wechsel in der Struktur und Funktion auf Umwelteinflüsse oder Lebenswandel und erst dann kommt es zu einer Modulation des Phänotyps des Lungenepithels? Diese Frage „Was ist Henne und was ist Ei?“ beschäftigt das Team um Michael Schloter sehr und lässt sich bislang nur in Tiermodellen gut untersuchen.

Die Forschenden wissen, dass insbesondere Rauchen einen starken Einfluss auf das Lungenmikrobiom hat und die Diversität der Mikroflora in der Lunge deutlich abnimmt, was das Eindringen von pathogenen Mikroorganismen erleichert. 

Nächster Schritt – Gesunde Lunge über den Darm?

Interessant ist aber auch, dass es nicht nur „Umwelteinflüsse“ sind, die eine Auswirkung auf das Lungenmikrobiom haben. Durch die sogenannte Darm-Lungenachse wirken sich auch Veränderungen in der Darm-Mikroflora auf das Lungenmikrobiom aus, zum Beispiel durch die Gabe von Antibiotika. Umgekehrt bietet die Darm – Lungenachse auch therapeutische Chancen. Beispiel Asthma: Die Forschenden in der Gruppe um Michael Schloter konnten gemeinsam mit Kollegen des Leibniz-Forschungszentrums in Borstel nachweisen, dass sich durch die orale Gabe von D-Aminosäuren im Asthmainduzierten Mausmodell die Diversität des Darmmikrobioms erhöhte. Die Asthmasymptome reduzierten sich.